In Zeiten des gesellschaftlichen und politischen Rechtsrucks stehen Unternehmen vor einer wegweisenden Entscheidung: Wollen sie neutral bleiben – oder sich aktiv für demokratische Grundwerte und Vielfalt einsetzen? Die politische Großwetterlage macht deutlich: Es reicht nicht mehr, DEI (Diversity, Equity & Inclusion) als „Nice to have“ zu behandeln. Es geht um Grundsätzliches: um Haltung, Werte und den Rechtsstaat als Grundlage für Unternehmen und Gesellschaft.
Rechtspopulistische Parteien wie die AfD gewinnen an Einfluss. Ihre Ideologie ist nicht vereinbar mit den Werten, die Diversity-Programme vertreten – etwa Gleichberechtigung, Antidiskriminierung oder ein inklusives Arbeitsumfeld. In Verwaltungen, Kommunalparlamenten und Teilen der Gesellschaft findet bereits eine Verschiebung des Sag- und Denkbaren statt. Unternehmen geraten dadurch zunehmend in eine Sandwichposition zwischen Geschäft, Gesellschaft und Gewissen.
Die Stunde der Verantwortung
Viele Unternehmen geben sich Werte: Respekt, Vielfalt, Innovation, Zusammenarbeit. Diese Werte sind keine betriebswirtschaftlich zufälligen Begriffe – sie haben eine demokratische Grundlage. Sie funktionieren nur in einer offenen Gesellschaft, die Menschen gleiche Rechte und Chancen zuspricht.
Zudem profitieren Unternehmen wirtschaftlich von Vielfalt – kognitiv, biografisch, kulturell. Studien zeigen, dass diverse Teams innovativer, resilienter und erfolgreicher sind. Wenn rechtsextreme Bewegungen Diversity abbauen wollen, bedrohen sie langfristig auch die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.
Und: Unternehmen übernehmen längst gesellschaftliche Aufgaben – in der Ausbildung, Integration oder Bildung. In einer Zeit, in der die Demokratie angegriffen wird, ist es konsequent, auch hier Verantwortung zu zeigen.
Den Gedanken von Vielfalt neu erzählen
Gerade in aufgeheizten Zeiten lohnt es sich, den Kern von Diversity, Equity & Inclusion (DEI) neu zu vermitteln. Es geht nicht um Bevorzugung einzelner Gruppen, sondern um die gezielte Nutzung unterschiedlicher Perspektiven, Erfahrungen und Denkweisen – kurz: um Diversity of Minds. Dieser Ansatz steht für mehr Innovationskraft, bessere Problemlösung und langfristigen Unternehmenserfolg.
Vielfältige Teams erkennen Marktbedürfnisse differenzierter, entwickeln tragfähigere Produkte und sprechen Kundengruppen breiter an. Sie agieren resilienter in Krisen, weil sie von Natur aus verschiedene Sichtweisen einbeziehen – und damit schneller umdenken können. Studien zeigen: Unternehmen mit hoher Diversität sind wirtschaftlich erfolgreicher, innovativer und attraktiver für Fachkräfte.
Gleichzeitig bietet DEI Orientierung in einer zunehmend fragmentierten Welt. Es schafft Zugehörigkeit, stärkt die Bindung an das Unternehmen und gibt Menschen das Gefühl, mit ihren Stärken gesehen und gebraucht zu werden – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Hintergrund. Wenn Diversity so verstanden und kommuniziert wird, lässt sich ein gemeinsamer Nenner schaffen, der gesellschaftlich wie wirtschaftlich überzeugt – und Polarisierung vorbeugt.
Empfehlungen für DEI-Abteilungen
Diversity-Verantwortliche müssen ihre Arbeit neu denken. Sind sie es aus der Vergangenheit gewohnt, mit internen Widerständen und Kostenproblematik umzugehen, müssen sie nun mit Gegenwind aus politischer Richtung umgehen. So gilt es, zur Sicherung von DEI ein zusätzlichen Augenmerk auf Demokratiearbeit zu legen. Zudem braucht es eine Neuausrichtung der Maßnahmen, um gemeinsam einen Kulturwandel zu erreichen – zu viele Menschen fühlen sich abgehängt, nicht verstanden und von der bisherigen Diversity-Kommunikation abgeschreckt. Folgende Maßnahmen sehen wir als hilfreich an:
1. Aufklärungsmaterialien für Mitarbeitende bereitstellen
Mitarbeitende brauchen Orientierung, um sich im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit, Unternehmenswerten und demokratischem Grundkonsens sicher bewegen zu können. DEI-Abteilungen sollten deshalb kompakte, verständliche Leitfäden erstellen, die die Verbindung zwischen Diversity und Demokratie deutlich machen – etwa in Form von One-Pagern oder interaktiven PDFs.
Auch rechtliche Einordnungen sind hilfreich: Was ist durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt? Was ist diskriminierend – und was nicht? Ergänzt werden können diese Materialien durch Erklärvideos oder kurze „Was tun, wenn…?“-Szenarien, die Mitarbeitende befähigen, in kritischen Situationen angemessen zu reagieren.
FAQs im Intranet können Antworten geben auf: Was darf ich sagen? Wie reagiere ich auf diskriminierende Aussagen? Was ist Meinung, was ist Hate Speech?
Insgesamt sollen die Formate möglichst niedrigschwellig und möglichst ohne moralischen Zeigefinger gehalten werden. Wichtig ist, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und für Einbeziehung statt Ausgrenzung zu sorgen.
2. Trainings zur Argumentation anbieten
Rechtsextreme und demokratiefeindliche Narrative finden zunehmend Eingang in Alltagsgespräche – auch am Arbeitsplatz. Unternehmen sollten deshalb professionelle Trainings anbieten, die Mitarbeitende und vor allem auch Führungskräfte in argumentativer Resilienz schulen: Wie erkenne ich ideologische Muster? Wie reagiere ich souverän, ohne zu eskalieren? Wie gehe ich damit um, wenn rechtsfeindliche Äußerung von Seiten der Kundschaft zu hören sind?
In diesen Trainings geht es nicht nur um Faktenwissen, sondern vor allem um Haltung, Gesprächsführung und praktische Strategien zur Deeskalation. Besonders wirksam sind Rollenspiele und Fallanalysen aus der Unternehmensrealität, die typische Gesprächssituationen simulieren.
Auch Infoveranstaltungen zu Fake News und manipulativer Kommunikation können zweckdienlich sein – insbesondere im Kontext von Social Media oder KI. Zusätzlich können E-Nuggets, also kleine, smarte, witzige E-Learning-Einheiten zur Verfügung gestellt werden werden, um für eine möglichst weite Verbreitung zu sorgen.
3. Demokratiebildung im Arbeitsalltag verankern
Demokratiebildung sollte nicht auf ein einzelnes Workshop-Angebot reduziert werden, sondern integraler Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Dazu gehört, regelmäßig Formate anzubieten, in denen gesellschaftliche Themen reflektiert und in den Unternehmenskontext eingeordnet werden – z. B. kurze, moderierte Lunch & Learn-Sessions, bei denen Begriffe wie Meinungsfreiheit, Equity und Chancengerechtigkeit oder Rassismus greifbar gemacht werden.
Auch der Einstieg neuer Mitarbeitender bietet eine Chance: Im Onboarding sollten die demokratischen Werte und die Rolle von Diversity im Unternehmen explizit thematisiert werden. Für Auszubildende können spezielle Angebote entwickelt werden, z. B. ein Workshop zur Bedeutung der Menschenrechte in der Arbeitswelt oder zu Diskriminierung am Arbeitsplatz.
Allies als Verbündete für Vielfal

Allies – also Mitarbeitende, die ihre Privilegien für diskriminierte Gruppen nutzen – spielen eine zentrale Rolle im Alltag. Je mehr Menschen aktiv gegen Rassismus und für Vielfalt eintreten, desto mehr wird eine demokratische Grundhaltung verstärkt und Diversity gelebt. So stehen Weiße Menschen für People of Colour ein, Männer für Frauen, Heterosexuelle für die LGBTIQ*-Community.
Damit interessierte Menschen diese Rolle wirksam ausfüllen können, brauchen sie Qualifizierung und Unterstützung. So bietet das Allyship-Programm von Synergy Consult eine Schulung, die das Verständnis für Privilegien, Wissen um Benachteiligung und gleichzeitig klare Handlungsoptionen vermittelt. Dabei gehen wir differenziert vor, um für die verschiedenen Rollen als Führungskraft, Human Resources Manager_in oder Mitarbeitende_r das passende Handwerkszeug zur Verfügung zu stellen. Los geht es damit, in alltäglichen Situationen Haltung zu zeigen, z. B. durch einen kurzen Widerspruch oder eine unterstützende Geste. Doch Allies räumen auch Barrieren aus dem Weg, liefern Ressourcen und optimieren Prozesse.
Wichtig ist dabei: Allies sollen nicht allein bleiben. Ihr Wirken muss vom Unternehmen gestützt werden und idealerweise arbeiten die Diversity-Veranwortlichen mit ihnen Hand in Hand.
Unternehmensweite Haltung entwickeln und sichern
Um in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Polarisierung handlungsfähig zu bleiben, braucht es eine tragfähige, unternehmensweite Haltung zu Diversity, Equity & Inclusion. Dafür sollten DEI-Verantwortliche eng mit Kommunikation, Rechtsabteilung und Geschäftsführung zusammenarbeiten.
Diese Haltung muss nicht nur in Leitbildern und Strategiepapiere stehen, sondern im Arbeitsalltag spürbar sein. Dazu gehören definierte No-Gos (z. B. Nulltoleranz bei diskriminierenden Aussagen), abgestimmte Sprachregelungen sowie eine klare Linie in interner und externer Kommunikation.
Wenn der Vorstand öffentlich Haltung zeigt – etwa durch Teilnahme an Demonstrationen gegen rechts, durch persönliche Statements in sozialen Medien oder durch Unterstützung von Kampagnen wie „Zusammenland“ oder „Demokratie wählen“ – sendet das ein starkes Signal. Auch eine proaktive Positionierung für DEI nach außen, z. B. im Fall politischer Gegenwinde, schafft Klarheit.
Um die Haltung auch innerhalb des Unternehmens zu verankern, braucht es regelmäßige, kreative Kommunikationsmaßnahmen – etwa Video-Statements der Führung, Poster-Aktionen, Newsletter-Serien oder Dialogformate mit Mitarbeitenden.
Ein Schulterschluss mit Unternehmensverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und demokratischen Allianzen bietet Orientierung, Unterstützung und Austausch – und signalisiert, dass das Unternehmen sich nicht isoliert, sondern Teil einer größeren Verantwortungsgemeinschaft ist.
Zugehörigkeit wiederherstellen: Menschen zurück in die Mitte holen
Viele Menschen fühlen sich gesellschaftlich abgehängt – sei es durch wirtschaftliche Umbrüche, mangelnde Anerkennung oder persönliche Enttäuschungen. Besonders in Ostdeutschland wirkt die Erfahrung, auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung Bürger*innen zweiter Klasse zu sein, fort. Auch während der Pandemie haben sich viele bevormundet und nicht ernst genommen gefühlt. Solche Erfahrungen führen nicht selten zu Rückzug, Verbitterung oder offener Ablehnung demokratischer Institutionen – und machen anfällig für rechtspopulistische und rechtsradikale Deutungsangebote. Auch da können Unternehmen Verantwortung übernehmen und entsprechend aktiv werden:
Biografien und Erfahrungen können sichtbar gemacht werden: Durch moderierte Gesprächsformate, z. B. interne Dialogrunden oder „Storytelling Lunches“, können Mitarbeitende ihre persönliche Geschichte einbringen. Wer erzählen darf, wird gehört – und wer gehört wird, fühlt sich als Teil des Ganzen.
DEI-Manager_innen sollten psychologische Sicherheit gezielt aufbauen: Sie sollten eine Kultur fördern, in der Sorgen, Zweifel und Kritik geäußert werden dürfen, ohne dafür beschämt zu werden. Das beginnt bei der Sprache und reicht bis zur Fehlerkultur und Konfliktmoderation. Methoden wie „Check-ins“ zu Beginn von Meetings oder der Einsatz von Reflecting Teams können hier helfen.
Es sind Strukturen der Teilhabe zu erweitern: Wer mitgestalten darf, fühlt sich weniger ausgeliefert. Beteiligungsformate wie Feedbackgruppen, Werkstattformate oder partizipative Projektentwicklung ermöglichen es auch skeptischen Mitarbeitenden, Einfluss zu nehmen und Verantwortung zu übernehmen.
Ebenso hilft aufsuchende Kommunikation statt Hochglanz-Botschaften: Gerade skeptische oder abgehangene Mitarbeitende erreicht man nicht mit Kampagnen-Sprech. Stattdessen braucht es Gespräch auf Augenhöhe – etwa durch Allies oder auch durch Betriebsratsarbeit.
Unternehmen sind nicht der Ort, an dem politische Einstellungen umerzogen werden sollen – aber sie sind ein zentraler gesellschaftlicher Raum, in dem Zugehörigkeit, Wertschätzung und Orientierung entstehen können.
Fazit: Politische Verantwortung zahlt sich aus
Neutralität war gestern. Wer heute in Vielfalt investiert, investiert nicht nur in ein besseres Arbeitsumfeld, sondern in die Zukunft unserer Demokratie. Unternehmen sind keine politischen Akteure – aber sie sind Akteure mit Wirkung. Und sie haben Mitarbeitende, die Haltung sehen und erleben wollen.
Es ist Zeit, dass Diversity- und Demokratiearbeit zusammen gedacht werden.
Veranstaltungshinweis
Wenn Sie dieses Thema interessiert und Sie noch mehr Handlungsempfehlungen für Ihre eigene Diversity-Arbeit suchen, laden wir Sie herzlich ein zu unserer Synergiewerkstatt im Netzwerk ‚Synergie durch Vielfalt‘.
Synergiewerkstatt #44: Diversity und Demokratie. Was Unternehmen jetzt tun müssen
📅 Mittwoch, 16.07.2025
⏰ 9.00-13.00 Uhr
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